Diesen Beitrag zu schreiben, bricht mir das Herz, denn es bedeutet, dass ich zurück in Deutschland bin. Nach fast drei Wochen intensiver Erlebnisse in Großbritannien bin ich wieder hier und kann noch gar nicht fassen, welche atemberaubende Reise hinter mir liegt. Würde ich der Chronologie nach gehen, gäbe es jetzt erstmal ein Posting über London, aber mir kribbelt es in den Fingerspitzen, euch woanders hin mitzunehmen: Auf unseren Roadtrip durch Schottland.

Die Entscheidung …

… war sehr spontan. Wir hatten meinen Schwestern zum Geburtstag einen Musicaltrip nach London geschenkt, aber es war von Anfang an klar, dass mehr als acht Tage nicht bei allen möglich sind. Ich hatte jedoch noch 17 Tage Resturlaub vom Vorjahr übrig, sodass ich überlegt habe, wie ich sie sinnvoll nutzen kann. Mein erster Gedanke: Edinburgh. Es ist inzwischen Tradition, einmal im Jahr einen guten Freund zu besuchen, den ich bei meiner ersten Reise kennengelernt habe. Und da ich meine Schwestern sowieso mal mitnehmen wollte, habe ich kurzerhand »Charly eingeladen, mich zu begleiten.

Wer mich kennt, weiß, wie sehr ich es mag, meine Liebsten zu überraschen. Also habe ich nach schönen Aktionen gesucht, die wir außerhalb von Edinburgh machen können und bin über eine Tagesreise zum Loch Ness gestolpert. Als ich die Preise für zwei Personen gesehen habe, wollte ich sie mit einem Mietwagen vergleichen und siehe da: ein eigener Wagen ist gar nicht so teuer. Aus einer flüchtigen Idee wurde ein festes Vorhaben und keinen Tag später war unser Urlaubsbegleiter gebucht. Deshalb möchte ich mich in diesem Posting erst einmal der Verkehrsthematik widmen, bevor es dann Into the Wild geht.

Der Mietwagen

Auch wenn ich in DE gar kein Problem mit meinem manuellen Auto habe, wollte ich für den Linksverkehr gerne einen mit Automatik. Nach viel vergleichen bin ich auf Sunny Cars gestoßen und habe dort unseren geliebten Reisebegleiter gefunden: einen Renault Clio, Fünftürer, Automatik, Tempomat, Aux-Anschluss. Kurzum: das perfekte Auto für uns. Preislich lag er bei umgerechnet 226€ für fünf Tage und ist damit ca. 100€ teurer als ein gleichwertiger Schaltwagen. Ich würde allerdings jedem untrainierten Linksfahrer empfehlen, die paar Euro mehr zu investieren, denn es zahlt sich am Ende aus. Zumal er deutlich sparsamer im Verbrauch ist.

Das Schöne an der Buchung: unser Wagen war komplett versichert – Unterboden, Reifen, Glas inklusive. Außerdem konnte er direkt im Car Rental Centers des Flughafens abgeholt werden, was mit unserem großen Koffer Luxus war. Sowohl die Abholung als auch Rückgabe verliefen über den Anbieter Enterprise völlig unkompliziert. Gerade bei der Rückgabe hatte ich dank dreckiger Scheiben und Krümmel im Wagen Sorge, dass es länger dauern könnte, aber in nur fünf Minuten war alles abgewickelt und die 200 Pfund Kaution wurden zurück überwiesen.

Linksverkehr und Tempolimits

Dass man im Auto rechts sitzt und auf der linken Straßenseite fährt, fand ich gar nicht schlimm. Um genau zu sein, habe ich mich sehr schnell daran gewöhnt und konnte nach ca. einer halben Stunde Fahrt auch die Abstände gut einschätzen, sodass Charly nicht mehr alle zwei Minuten einen Herzinfarkt erleiden musste. Was mich am Anfang allerdings verunsichert hat, war das schreckliche Navi im Auto zusammen mit der Tatsache, dass wir den Flughafen im Dunklen verlassen mussten. Die erste Fahrt zu unseren Freunden war also sehr abenteuerlich und ich war heilfroh, als das Auto stand.

Am nächsten Morgen ging die Reise dann richtig los und bei Tageslicht mit eigenem Google Maps Navi sah die Welt ganz anders aus. Viele entspannter und leichter. Und apropos anders: wer denkt, schottischer Verkehr wäre ähnlich wie hier, den muss ich enttäuschen. Beginnen wir also mit den wichtigsten Punkten: Geschwindigkeit und Entfernung werden in Meilen bzw. Yards gemessen. Eine Meile sind ca. 1,6km, sodass man sich anfänglich schnell verschätzen kann, wenn es um Distanzen geht. Die Limits für Autos ohne Anhänger sind zusammengefasst folgende:

Stadt = 30mph (oft auf 20mph gedrosselt)
Landstraße = 60mph
Schnellstraße = 70mph
Autobahn = 70mph

Regeln im Straßenverkehr

Jeder kennt in Deutschland die berühmte Regel “rechts vor links”. Im Auto habe ich unseren Freund gefragt, ob in Schottland “left before right” gelten würde und habe dafür einen sehr irritierten Blick geerntet. Kein Wunder, denn in GB folgt man ganz dem Motto: Keep it simple. Wer auf einer Straße ist, hat Vorfahrt, Abbieger müssen warten. Sollten sich zwei gerade Straßen überkreuzen, gibt es “Give Way”- aka “Vorfahrt beachten”-Schilder, Ampeln oder einfach einen Kreisverkehr.

Kreisverkehre sind eh eine Sache für sich, denn von ihnen gibt es sehr viele. Oftmals dreispurig und teilweise werden sogar Autobahnen vom Kreisverkehr unterbrochen. Wo man sich bei den Großen am besten einordnet, ist selbsterklärend: wer direkt wieder raus möchte, bleibt auf der linken Spur, wer geradeaus will, nimmt die Mittlere und wer die dritte Ausfahrt bevorzugt, reiht sich rechts ein. So sind wir immer super simpel an unser Ziel gekommen.

Was man insbesondere Richtung Isle of Skye oft findet, sind Single Track Roads. Hier teilt ihr euch eine Spur mit dem Gegenverkehr – trotz scharfer Kurven, steiler Abhänge und “Blind Summits” (Punkten, an denen man nicht sehen kann, was danach kommt). Allerdings gibt es alle paar Yards Passing Places, die zum Ausweichen dienen. Wer hofft, dank der niedrigen Bevölkerungsdichte  keinen Gegenverkehr zu haben: hier muss ich euch nochmal enttäuschen. Uns kamen immer wieder Einheimische entgegen, die keine Scheu kennen. 60mph auf einer kurvenreichen Single Track Road? Kein Problem. Passing Places nutzen? Auch kein Problem! Hier gewährt derjenige Vorfahrt, der einen Passing Place zuerst erreicht hat. Und ganz wichtig: Man bedankt sich mit Handzeichen und einem Lächeln. 😊

Straßenverhältnisse und Gefahren

Wer bei deutschen “Achtung Fahrbahnschäden”-Schildern denkt, die Fahrbahn wäre stark beschädigt, ist noch nicht in Schottland gefahren. Auch wenn es immer wieder schöne Abschnitte mit Flüsterasphalt gibt, überwiegen auf dem Land Kraterlandschaften. Wenn kein Gegenverkehr kam, bin ich oft Zick-Zack oder einfach mittig gefahren, da die Schlaglöcher wirklich groß sind. Es wundert also wenig, dass viele sehr robuste Autos fahren. Mit unserem Flitzer hatte ich hin und wieder Angst, einen Achsenbruch zu riskieren, wenn ich die zulässige Höchstgeschwindigkeit fahre.

Was viele schottische Fahrer genauso gut können wie die Deutschen: drängeln. Während ich mich mit 50mph nachts auf kurvenreichen Strecken schon viel zu schnell gefühlt habe, wollten andere trotzdem ihre 60mph ausnutzen. Mein Rat: Nicht aus der Ruhe bringen und erst recht nicht hetzen lassen. Es gibt so oft Parkbuchten, dass man entspannt links ranfahren und die Drängler überholen lassen kann. Einfach früh genug den Blinker setzen (Parkplätze werden oft 450 Yards vorher angekündigt) und schon bedanken sich die Vorbeifahren sogar via Handzeichen oder nachts mit dem Warnblinker.

Last but not least gibt es die sehr reiche Tierwelt, die schnell zur Gefahr werden kann. Freilaufende Schafe, Bergziegen, Rehe, Hirsche, Yaks, Kühe, Fasane – in Schottland findet ihr alles. Und oft wisst ihr nicht, was hinter der nächsten Kurve auf euch wartet. Wer mit gesundem Menschenverstand rangeht, wird vor Kurven also langsamer und drosselt das Tempo, wenn eine Schafherde am Fahrbahnrand steht. Außerdem kann der Beifahrer so auch viel besser Fotos der flauschigen Inselbewohner machen. 😉

Das Abenteuer beginnt …

… so richtig in Teil 2 meiner Roadtrip-Reihe. Für heute soll es erst einmal genug mit den Informationen rund ums Fahren in Schottland sein. An dieser Stelle möchte ich also nur noch sagen: keine Angst vorm Linksverkehr! Wer sich in Deutschland als Autofahrer sicher fühlt, der wird schnell mit dem schottischen Linksverkehr klarkommen. Und ich kann euch versprechen, dass ihr einen Roadtrip durch dieses Land nicht bereuen werdet.

 

Wart ihr schon einmal per Auto in Schottland unterwegs und welche Orte mögt ihr am liebsten? Habt ihr vielleicht weitere Tipps und Tricks rund ums Fahren auf der “falschen” Seite?

Liebe Grüße,